Nicolas Born, écrivain (1937-1979)

 

 

Quelques poèmes

 

 

Eine Liebe

In Köln-Knapsack küßte ich eine Frau
unter einer Brücke 1963.
Wie ihr Gesicht war
so mag ich Gesichter.
Dann hieß sie Heidelinde
das sagte sie.
Ich möchte wissen
wie sie mich dabei ansah.
Draußen war es zu kalt.
Wir verabredeten uns auf einen Zufall.
So bald komme ich nicht mehr nach
Köln-Knapsack.

 

(Nicolas Born, « Gedichte«, édité par Katharina Born, Wallstein Verlag, Göttingen, 2004, copyright)

 

 

Drei Wünsche

Sind Tatsachen nicht quälend und langweilig?
Ist es nicht besser drei Wünsche zu haben
unter der Bedingung daß sie allen erfüllt werden?
Ich wünsche ein Leben ohne große Pausen
in denen die Wände nach Projektilen abgesucht werden
ein Leben das nicht heruntergeblättert wird
von Kassierern.
Ich wünsche Briefe zu schreiben in denen ich
ganz enthalten bin –.
Ich wünsche ein Buch in das ihr alle vorn hineingehen
und hinten herauskommen könnt.
Und ich möchte nicht vergessen daß es schöner ist
dich zu lieben als dich nicht zu lieben

 

(Nicolas Born, « Gedichte«, édité par Katharina Born, Wallstein Verlag, Göttingen, 2004, copyright)

 

 

ES IST SONNTAG

die Mädchen kräuseln sich und Wolken
ziehen durch die Wohnungen –
wir sitzen auf hohen Balkonen.
Heute lohnt es sich
nicht einzuschlafen
das Licht geht langsam über in etwas
Bläuliches
das sich still auf die Köpfe legt
hier und da fällt einer
zusehends ab
die anderen nehmen sich
zusammen.
Diese Dunkelheit mitten im Grünen
dieses Tun und Stillsitzen
dieses alles ist
der Beweis für etwas anderes

 

(Nicolas Born, « Gedichte«, édité par Katharina Born, Wallstein Verlag, Göttingen, 2004, copyright)

 

Debut de la page

 

 

 

Boulevard Reaumur /Sebastopol

Es regnete dort, länger, heftiger, ein Splittern
der Zusammenbruch von allem Wasser
so daß jeder zusah wo er geblieben –
da lag verzagt nasse Hand auf dem Tisch

Alles trieb, ich freute mich auf einmal
und wollte nicht warum wissen. Es schwamm
viel mehr als bloß Unrat an Rinnsteinen entlang.
Die Wesen hingen schief, wie ausgeklinkt
über den Tischen, verstohlen vor Scham
allein zu sein

Ein Garten, dachte ich, Klappstühle, Steine
es regnet einfach. Zuhause
so weit konnte ich nicht denken

Glanz, dunkle Spiegelungen, nasse Zigarette
- warum sah ich die Keime neuer Jahre nicht?
Das Pariser Glänzen – ist denn die Geschichte
der Wirklichkeit versiegelt, so daß wir gleiten
unbekannte Frau und ich? Und auf dem Glanz
wüchse Nichts?
Hinzusehen ist Gebrechen. Gefühle weiß ich nur.
Ich glaube, in dem Moment war alle Herrlichkeit
durchschaut. Was ich sah, war nichts im Grunde
eben Reaumur / Sebastopol

Rote Stiefel bis da oben hin
der Mund verrutscht im Gesicht
die Schirme tropften deutlich auf den Boden
wie Seide flossen die Fensterscheiben.
Bücher Bücher neben heißem Tee,
der Raum trieb ab in Gesprächen über alles

Eine Glühbirne knallte durch, mit einem Ruck
Erstaunen, daß die Straße wieder vorbeiführte.
Mußte ich das so sehen? Zwischen den Fingern
neue Zigarette. Ein überschwemmter Afrikaner
in weißen Turnschuhen schlug sich die Zeitung
auf die Schenkel. Die Mäntel rochen bitter
nach verbranntem Kabel
Schwergewordenes Licht, wie schwer auch
das Leichtlebige.
Ich sehne mich nach allem was ich nicht erlebt
ich sehne mich nach meiner Liebe.
Süßer Abschaum, Unfallspuren in den Straßenflüssen
dunkel glühende Leuchtschriften.
Vor Anstrengung zu weinen geht hier nicht
auch „kämpfen oder umfallen“ geht hier nicht

Die Handlung draußen war weggeschwommen.
Ist das wahr, was ich gesehen habe, daß die Autos
auf den Rücken schwammen mit weißen Bäuchen?
Cremefarbene Lackmäntel wischten vorbei an Vitrinen.
Wie Leute weitergingen mit Zeitung und Brot
in Spiegel schauten und sich das Besinnen verziehn
- ausgewechselt alle, spurlos, und da schwankten
wieder heiter im Gedränge Autoantennen

 

(Nicolas Born, « Gedichte«, édité par Katharina Born, Wallstein Verlag, Göttingen, 2004, copyright)

 

 

Keiner für sich, alle für niemand

Wie es mir vorkommt das kahle Licht
in dem ich still, eingesunken, weiteratme
- geräumter Saal, Stühle auf den Tischen
ich war nie so zufällig

Im Treppenflur weht die Zeitung auf
ich fühle mich auf einem Schiff, das Messing
blinkt, und schöne Handschrift in Kontoren.
Der Schmerz ist dünn geschliffen bis die Welt
erfährt. Die Welt erfährt nicht

Die Erde wiederholte sich, ich glaube du und ich
wir sind jetzt kaltgestellt, Vorfahrn von nichts.
Vertraute Wege sind weg
in irgendwelchen Zielen abgefangen

Abgefangene Nachrichten, scheinbares Leben
Datenungeheuer werden gesucht.
Gute Not, ihr Fehlen macht mich kopflos
überall verlangt das stille Geld zu arbeiten

Vom Fenster aus seh ich die Menge
eingehn in die Hallen, in die rieselnde Maschine
geplünderte Gesichter, der Morgen leergemacht
keiner mehr für sich, alle für niemand

Deine Schuhe stehen aufgeweicht neben dir
du bist so fest in deinem Gefühl zu mir, daß es
zu viel für mich ist,
die Ernte leuchtet, Prunkzeug der Wissenschaft
die Welt gesehen, durchschaut was nicht dahinter

Sonne da, gesiebt das Land von dir zu mir
so schön du bist von allem abgetrieben
wir können uns nicht treffen in den Zimmern
noch hier im Park der gefegt ist

 

(Nicolas Born, « Gedichte«, édité par Katharina Born, Wallstein Verlag, Göttingen, 2004, copyright)

 


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